Kreativprogramme, Halbautomatik (Tv/T/S und Av/A) – die Hälfte der Werte selbst festlegen

Eigentlich haben wir mit dem Begriff „Halbautomatik“ einen sehr paradoxen Begriff. Nur zur Hälfte automatisch – wir bekommen also als Fotograf die Hälfte der Entscheidung und der Rest wird von der Kamera bestimmt. Schauen wir uns an, was hier uns geboten wird und inwieweit das für uns als Fotograf Sinn ergibt.

Im Angebot für die Halbautomatiken (auch gerne von den Kameraherstellern Kreativprogramme genannt) gibt es:

Die Zeitvorwahl (T/Tv/S)

Schauen wir uns als Erstes die Zeitvorwahl (T/Tv/S) an. Natürlich ist es immer gut, Benutzer durch uneinheitliche Benennungen zu verwirren. Es ist egal, um welche Bezeichnung es sich handelt, es dreht sich immer um die Zeitvorwahl. Je nach Kamerahersteller wird für die Zeitvorwahl gesprochen von:

So weit, so gut. Wenn die Verwirrung noch nicht eingetreten ist, dann wird von den Handbuchschreibern der Kamerahersteller noch eins draufgelegt und anstelle von Zeitvorwahl dann von Blendenautomatik gesprochen. Das macht die Halbautomatik auch, aber die Bezeichnung verwirrt den Anfänger mehr als dass es hilft.

Was passiert also bei der Verwendung der Halbautomatik „Zeitvorwahl“? Wir als Fotografen wählen die Zeit (das ist der Part, der nicht automatisch ist). Nachdem wir die Zeit festgelegt haben, gibt uns die Kamera automatisch einen passenden Blendenwert dazu. Berechnet wird also von der Kamera eine Kombination aus der von uns vorgegebenen Zeit und einer passenden Blende für die gerade verfügbare Lichtmenge. Daher der Begriff der „Blendenautomatik“, der von hinten her gedacht ist. Der von der Kamera vorgeschlagene Blendenwert ist eigentlich das Resultat von der von uns vorgegebenen Zeit und dem vorhandenen Licht.

Immer noch nicht verwirrt? Dann klappt die Verwirrung vielleicht mit der Anzeige der Verschlusszeit im Kameradisplay. Wollen wir eine Belichtungszeit von 2 Sekunden, bekommen wir oft als Anzeige der Zeitdauer anstelle einer Einheit ein doppeltes Anführungszeichen, also 2“.

Natürlich sind auch Brüche nicht wirklich schön, sich vorzustellen. Dass 1/60 Sekunde länger ist wie 1/250 Sekunde kann man sich mit der Zeit vorstellen. Und als Anzeige der Zeitdauer erhalten wir nur den Wert unter dem Bruch. Unsere Kameradisplay zeigt uns als Zeitdauer dann nur 60 anstelle von 1/60 Sekunde an. Platz sparen im Kameradisplay ist das Motto. Hilft nichts, einfach daran gewöhnen. Im Kapitel Belichtungszeit/Verschlusszeit belichtungszeit.htm bekommt man mehr Informationen und eine Auflistung der Zeiten (auch in 1/3 Schritten).

Nachdem wir nun die gröbste Verwirrung beseitigt haben (oder auch angerichtet haben) unbedingt etwas testen! Wir wollen wissen, was passiert, wenn wir mit unseren Zeitvorgaben gegen die Wand fahren. Hört sich komisch an? Einfach einmal vorstellen, dass man Auto fährt und dem Auto sagt „fahr 300 km/h“. Leider kann das der Motor des Autos gar nicht leisten. Das Gleiche gilt für Digitalkameras. Wir können Vorgaben machen, die in der gegebenen Lichtsituation keinen Sinn ergeben.

Testen! Wir haben eine bestimmte Lichtmenge (am besten einen trüben Tag verwenden oder in einem mäßig beleuchteten Zimmer testen). Wir geben als Zeitvorwahl 1/1000 Sekunde ein. Die Kamera hat also extrem wenig Zeit, Licht einzufangen. Reicht das Licht für ein korrekt belichtetes Foto oder erhalten wir ein schwarzes Foto? Wichtig dabei ist zu beachten, was uns das Display als Feedback gibt, wenn die Kamera eigentlich kein korrekt belichtetes Foto machen kann. Bei den meisten Kameras fangen unsere Werte an zu blinken. Das ist so der kleine Hinweis, dass es mit dem Vorgabewert nicht funktionieren wird.

Unbedingt probieren und vor allem einmal extreme Werte vorgeben!

Natürlich ist die Frage berechtigt, warum man beliebige Werte trotzdem vorgeben kann. Es kann ja noch sein, dass ein externer Blitz vorhanden ist und das notwendige Licht liefert.

Wann wird die Zeitvorwahl verwendet?

Wenn ich Bewegungen einfrieren möchte, dann ist die Vorgabe der Zeit (T/Tv/S) eine zielführende Aktion. Möchte ich beispielsweise herumtollende Kinder fotografieren, Zeitvorwahl. Bei Sport und allen Bewegungen (rennende Hunde) – Zeitvorwahl. 

Wie kurz die Belichtungszeit gewählt werden sollte, ist abhängig, wie schnell die Bewegungen sind und wie die Bewegungsrichtung verläuft (siehe Kapitel „Belichtungszeit einstellen – Verschlusszeit“ belichtungszeit.htm).

Besser als Zeitvorwahl?

Möchte man besser fotografieren, den manuellen Modus nutzen. Hier stellt man sowohl Zeit wie auch den Blendenwert ein.

Blende und Belichtung

Blende 20 (Foto: A. Pratzner)

Kamera:
Canon EOS 5D
Blende:
f/9
Belichtung:
1/200 Sek.
ISO:
100
Brennweite:
70 mm

Die Blendenvorwahl (A/Av)

Schauen wir uns die Blendenvorwahl (A/Av) an. Je nach Kamerahersteller wird für die Blendenvorwahl gesprochen von:

Hier stellen wir also die Öffnung, sprich den Blendenwert ein. Wir können vorgeben, wie viel Licht auf einmal in unsere Kamera einfallen kann. Die Blende ist in der Optik ein sich schließender bzw. öffnender Kreismechanismus, der die Strahlenbündel des einfallenden Lichts begrenzt. Wenn man von vorn in das Objektiv schaut, sieht man (je nach Objektiv) die Blendenlamellen.

Wenn wir nun im Kameradisplay uns ansehen, welche Werte angezeigt werden, wenn den Blendenwert verändern, sehen wir Werte wie z.B. „4, 5,6, 8, 11“ und viele andere. Was wird da anzeigt? Auch bei der Blendenzahl (siehe Kapitel „Die Blende“) handelt es sich um einen Bruch und es wird uns nur das unter dem Bruchstrich angezeigt. Sehen wir als in der Anzeige 4 ist damit f1/4 gemeint. Im Klartext bedeutet das, dass je größer die Zahl wird, desto kleiner die Öffnung (unter dem Bruchstrich).

Die Zahlen sehen auf den ersten Blick unregelmäßig aus, sind es aber nicht. Es wird hier mit Kreisflächen und daher Wurzel 2 gerechnet. Für detaillierte Informationen bitte das Kapitel „Die Blende“ lesen.

Blendenvorwahl = Zeitautomatik

Einige Hersteller nennen es auch Zeitautomatik. Warum das Verwirrspiel? Wir geben die Blendenzahl vor und die Kamera berechnet die benötigte Zeit.

Wann die Blendenvorwahl einsetzen?

Die Blende hat als gestalterisches Element einen direkten Einfluss auf die Schärfentiefe. Daher ist je nach Aufnahmesituation wie z.B. bei Porträt die Blendenvorwahl der gute Start. Dabei sind lichtstarke Objektive mit Blendenanfangswerten von 2,8, 2 und weniger von großem Vorteil.

Beim Porträt wird man eine kleinstmögliche Blendenzahl (z.B. 1,4) wählen, um die Öffnung so groß wie möglich zu machen und wenig Schärfentiefe zu haben.

Bei Landschaftsaufnahmen wird man einen sehr großen Blendenwert (z.B. 11 und größer) wählen, um viel Schärfentiefe zu erreichen.

Was passiert, wenn wir an die Grenzen gehen. Schließen wir nun die Blende auf den Blendenwert 22 (oder mehr) lassen wir in die Kamera nur noch sehr wenig gleichzeitig eindringen. Die Zeit wird sich entsprechend verlängern. Irgendwann geht das an seine Grenzen und im Display blinken die Zahlen. Damit ist klar, dass die Berechnungen der Kamera an ihre Grenzen stoßen.

Letztendlich ist es für die Bildqualität noch besser, sich Automatik zu nutzen! Man erreicht das beste Ergebnis beim Fotografieren über den manuellen Modus. Diesen schauen wir uns im nächsten Kapitel an.

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